
Zu Hause
Mittagessen von nebenan
Lieselotte Preihs kann sich noch genau an jenen Vormittag Mitte März erinnern, als ihr Nachbar Hasan Metinoglu mit einem großen Teller Kartoffelsuppe vor ihrer Tür stand. „Ich war richtig baff“, sagt die 80-Jährige. Er werde jetzt öfter mit Mittagessen vorbeikommen, habe Hasan gesagt. Seine Frau und er hätten beschlossen, ihr während der Corona-Pandemie auf diese Weise zu helfen.
Preihs wohnt in der elften von insgesamt 18 Etagen des Hochhauses am Wilhelmsruher Damm 121. „Ich habe guten Kontakt zu den Nachbar*innen auf meiner Etage“, erzählt sie. Aber dass jemand mal für sie kochen würde, darauf wäre sie nicht gekommen. Für Hasan und seine Frau Nermin ist das selbstverständlich. „Bei uns gibt es einen Spruch“, sagt Hasan Metinoglu. „Wenn deine Nachbarin unruhig schläft, dann kannst du selbst nicht ruhig schlafen.“ Lieselotte sei 80 Jahre alt und habe eine Vorerkrankung. „Sie gehört ja zur Risikogruppe, da helfen wir natürlich.“
Die Seniorin ist dankbar für diese Hilfe. „Ich leide unter der Lungenkrankheit COPD und muss jetzt besonders aufpassen“, sagt sie. An einen Mundschutz sei sie wegen ihrer Krankheit gewöhnt. Zudem trägt sie immer Handschuhe, wenn sie das Haus verlässt. „Ich bin natürlich froh, wenn ich nicht so oft einkaufen gehen muss.“ Kinder, die ihr helfen könnten, hat sie nicht, ihr Mann ist vor einigen Jahren gestorben. „Dass meine Nachbar*innen mich mindestens einmal in der Woche mit Mittagessen versorgen, entlastet mich sehr“, sagt Lieselotte Preihs. Es sei immer so viel, dass sie zweimal davon essen könne. „Ich liebe Suppen. Deshalb freue ich mich besonders über Hasans Gemüse- oder Linsensuppe. Manche Gewürze kenne ich gar nicht, aber was Nermin kocht, schmeckt wunderbar!“, sagt sie.

In einem Reinickendorfer Wohnhaus kochen Nachbar*innen für ältere Menschen. Das stärkt die Hausgemeinschaft.
Illustration: Collage Adobe Stock/Olha/viktorijareut/Nataliia Nesterenko
Wenn Lieselotte Preihs Hilfe braucht, kann sie sich auch an Nico Götze wenden. Der 38Jährige wohnt drei Etagen unter ihr und geht regelmäßig für sie einkaufen oder zur Apotheke. Götze ist Hausmeister bei der GESOBAU und betreut unter anderem die Wohnblocks Wilhelmsruher Damm 103–109. In den 600 Wohnungen leben mindestens doppelt so viele Mieter*innen – Familien mit Kindern, Alleinstehende, viele ältere Menschen. „Vor der Corona-Krise haben sich die meisten nur kurz gegrüßt“, sagt Götze. „Jetzt reden die Leute miteinander. Aus dem Nebeneinander ist ein Miteinander geworden!“
Autorin: Regina Köhler; Illustration: Collage Adobe Stock/Olha/viktorijareut/Nataliia Nesterenko