Interview „Noch nie hat jemand Nein gesagt“
Von der Dunkelkammer zur Hochzeit. Im Interview erzählt Hochzeitsfotograf Steffen Kauffmann von Romantik, Kitsch und was er über die Liebe gelernt hat.
Neben den Geschichten aus „Yes and the City“ hat der Hochzeitsfotograf Steffen Kauffmann so manch romantischen Moment erlebt. Im Interview erzählt er unter anderem, warum auch Hochzeitsfotos nicht einfach nur schön sein dürfen und wieso heute niemand mehr starre Posen mag.
Sie haben fast 300 Hochzeiten fotografiert. Was ist ein gutes Hochzeitsbild?
Gute Fotos zeigen, was an dem Tag passiert ist. Sie halten Momente so fest, dass sich das Brautpaar erinnert, wie es sich gefühlt hat, als die Aufnahmen gemacht wurden – und die Situation dabei nochmal, vielleicht sogar neu erleben kann.
Wie gelingt das?
Hm. Ich bin mir nicht sicher, ob es dafür eine bestimmte Vorgehensweise gibt. Wichtig ist, dass du dich für die Menschen interessierst, die du fotografierst. Du musst diesen einen Tag lang ein Teil ihrer Welt werden. Denn ob es dir gelingt, Emotionen im Bild festzuhalten, hat nicht nur mit Auge und Verstand, sondern auch mit Herz zu tun.
Was ist bei Hochzeiten Ihr Lieblingsmoment?
Ja-Wort, Ringtausch, Brautstrauß werfen, Torte anschneiden – klar sind das wichtige Momente. Insgeheim mag ich die beiläufigen Situationen, die nicht den Anspruch haben, das große Ganze zu erklären. Um das zu fotografieren, musst du in der Lage sein, Situationen zu antizipieren. Andernfalls drückst du den Auslöser, wenn das Motiv schon wieder verschwunden ist.
Wo hört Romantik auf, und wo fängt Kitsch an?
Die Unterscheidung zwischen Romantik und Kitsch ist etwas sehr Persönliches. Deswegen wischen sich manche die Tränchen aus den Augen, während andere in der gleichen Situation einen Fremdschäm-Moment haben, weil sie das alles viel zu dick aufgetragen finden. Oft sind Fotos dann schwer zu ertragen, mindestens aber peinlich oder skurril, wenn sie uns vorgeben wollen, was wir beim Betrachten fühlen sollen. Um fotografisch nicht in die Kitsch-Falle zu tappen, brauchst du Brüche, die gegen das Schöne, das du in dem Bild aufbaust, anarbeiten.
Wenn Sie Hochzeitsfotos von früher und heute vergleichen – was hat sich verändert?
Wer sich historische Hochzeitsbilder anschaut, findet fast immer das gleiche Motiv: ein starr wirkendes Doppelporträt, Braut mit Brautstrauß links, Bräutigam auf der rechten Seite, üblicherweise aufgenommen in einem Atelier. Heute sollen die Fotos die emotionalen Momente des Tages festhalten. Natürlich wollen Paare darauf so gut aussehen wie möglich, aber eben auf eine natürlichere Weise. Fotos, die durchchoreografiert, formell und klischeehaft wirken, möchten heute die wenigsten.
Bilder von scheinbar perfekten Hochzeiten überschwemmen die sozialen Medien. Ist das für Paare Inspiration oder übt es Druck aus?
Beides. Ich hatte allerdings noch nie ein Paar, das sich mehr um das perfekte Foto für Instagram gekümmert hat als darum, dass es für alle ein schöner Tag wird. Deswegen fährt man dann auch lieber mit der Tram vom Standesamt zur Hochzeitsfeier, als sich einen Bentley mit 100 weißen Rosen auf der Motorhaube zu mieten. Ich finde das großartig.
Schon mal erlebt, dass auf einer Hochzeitsgesellschaft die Fetzen fliegen?
Klar. Der Glücksdruck, der auf einer Hochzeit lastet, ist groß. Das kann dazu führen, dass der Hochzeitstag alles Mögliche wird – nur nicht der schönste Tag im Leben. Für das Paar ist das schade. Aber ich finde das irgendwie beruhigend. Es zeigt doch nur, dass da ganz normale Menschen sind, die sich mit den gleichen Themen rumschlagen wie wir alle. Allerdings mische ich mich bei solchen Konflikten niemals ein. Ich bin der Fotograf, nicht der Therapeut.
Sind vor Ihren Augen auch Trauungen geplatzt?
Ich fotografiere auf Hochzeiten seit mehr als 25 Jahren. Da erlebst du einiges. Wie Standesbeamte die Zeremonie crashen, weil sie das Paar versehentlich mit falschem Namen ansprechen. Wie Hunde mit den Trauringen am Halsband davonlaufen und nicht wiederkommen. Und sich Paare beim traditionellen Baumstammsägen fast die Hände abtrennen, weil sie mit ihrer Bügelsäge an einem Metallrohr abrutschen, das ein paar Gäste durch das Birkenholz gezogen haben. Ich habe auch schon sturzhagelvolle Brautpaare um drei Uhr nachts nach Hause gefahren. Aber eine Sache ist in all den Jahren nicht vorgekommen: Noch nie hat jemand Nein gesagt.
Was lernt man in Ihrem Job über die Liebe?
Wir sind alle mit der romantischen Idee aufgewachsen, dass wir irgendwann einen Menschen treffen, uns ineinander verlieben und dass diese Liebe ein ganzes Leben lang hält. Diese Vorstellung ist zwar nicht völlig verschwunden. Aber dass eine Liebesbeziehung immer und ewig dauert, erwarten heute nicht mehr alle. Ich finde das schade.
Hochzeitsfotografie wird oft belächelt. Macht Sie das zornig oder traurig?
Was mich antreibt, ist kein künstlerischer Drang, sondern ein menschlicher. Ich bin nicht auf der Suche nach dem perfekten Bild, das bei einer Ausstellung bei C/O Berlin gezeigt werden kann. Ich will für das Brautpaar schöne Momente eines einzigartigen Tages festhalten. Ob da einer die Augen verdreht, der selber nur Mode oder Kunst fotografiert, ist mir egal. Meine Bilder sollen Menschen glücklich machen. Ich liebe diesen Job.
Sie selbst sind lange verheiratet. Wo haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
In einer Dunkelkammer, im Frühling 1996. Ich war 17. Habe in den Kauffmann Studios eine Lehre gemacht. Damals hießen die noch Foto-Kauffmann und ich noch Herbrechtsmeier mit Nachnamen. Eines Tages stand ich mal wieder im Laden in der Mühlenstraße 44 und habe Abzüge gemacht. Da riss plötzlich eine die Tür auf, schaut mich an und fragte verdutzt: „Wer bist du denn?“ Das war Maria, eine der Kauffmann-Töchter. Ein paar Monate später waren wir ein Paar, nach sieben Jahren haben wir geheiratet.
Wenn Sie sich die Fotos Ihrer eigenen Hochzeit ansehen, was denken Sie da?
Ich denke: Mist! Meine Frau ist heute noch sauer, dass wir fast keine und vor allem keine guten Bilder von diesem Tag haben. Ich habe damals niemanden gefunden, der der Fotograf sein wollte, der eine Fotografenhochzeit fotografiert.
Steffen Kauffmann, Jahrgang 1978, ist im Wedding aufgewachsen. Nach der zehnten Klasse hängt er in einem Berufsvorbereitungslehrgang in der Warteschleife. Dort drückt ihm ein Lehrer in einem Fotokurs eine Kamera von Mamiya in die Hand. „Da war klar, was ich machen will.“ Es folgen: Praktikum bei Foto-Kauffmann, Ausbildung zum Fotografen. Seine ersten Bilder mit der japanischen Mittelformatkamera sind inzwischen 28 Jahre alt: der von Christo verhüllte Reichstag.
Pankower Fotodynastie: Die Kauffmanns
Gegründet wurde der Betrieb 1931 von Walter Kauffmann und seiner Frau Helene. Ihre Wohnung an der Pankower Hadlichstraße war für sie auch Atelier und Labor. Bilder wurden damals mit sperrigen Plattenkameras gemacht und für einen Foto-Blitz musste Magnesiumpulver gezündet werden. Als Walter nicht aus dem Krieg zurückkehrte, führte Helene die Firma allein weiter. Später übergab sie an ihren Sohn Fritz und dieser im Alter an eines seiner acht Kinder: Matthias. Mit Matthiasʼ Sohn Elia ist mittlerweile die vierte Generation in das Familienunternehmen eingestiegen. Aus „Foto-Kauffmann“ sind inzwischen die „Kauffmann Studios“ geworden.
Interview: Max Gehry / Fotos: Clara Carrara und Steffen Kauffman (Kauffmann Studios)