Busfahren in Berlin Im großen Gelben durch die Nacht
Mark Becker lenkt seit 15 Jahren BVG-Busse durch Berlin. Seine Schicht beginnt, wenn andere ins Bett gehen.
Es ist dunkel und nasskalt an diesem späten Samstagabend Ende Januar, als Mark Becker seinen Bus in die Titiseestraße steuert. 20 Minuten Pause erwarten ihn an der Haltestelle im Märkischen Viertel. An diesem Abend ist wenig los, die meisten der knapp 50 Sitzplätze bleiben leer. Zu anderen Zeiten würden sich sicher noch viele Partygänger auf den Weg in die Innenstadt machen. Doch wegen der Ausgangsbeschränkungen hat Mark Becker eine ruhige Schicht.
Ein bisschen zu ruhig für seinen Geschmack. Denn wegen der Corona-Pandemie steigen die Fahrgäste momentan durch die hintere Tür ein. Ein Flatterband und eine Plexiglastür trennen ihn von den Fahrgästen. Dabei mag Mark Becker den Kontakt zu Menschen. „Sonst würde ich U-Bahn fahren“, sagt der 45-Jährige augenzwinkernd.
Tags schlafen, nachts fahren
Als Mark Becker vor mehr als 20 Jahren aus dem Saarland der Liebe wegen nach Berlin zog, hatte er den Busführerschein bereits in der Tasche. Doch zunächst arbeitete er als Anlagenmechaniker. Als sein Zeitvertrag auslief, bewarb er sich bei der Berlin Transport (BT).
Die hundertprozentige Tochterfirma der BVG stellt etwa ein Drittel der Fahrer*innen auf den Berliner Bus- und U-Bahnlinien. Weil das Streckennetz in Berlin permanent ausgebaut wird, ist sie immer auf der Suche nach Busfahrer*innen. Mark Becker fährt ausschließlich nachts – sechs Tage am Stück, dann hat er zwei Tage frei. Alle vier Wochen hat er drei Tage am Stück frei. Ein Arbeitsrhythmus, den andere auch gerne hätten: Für die Nachtschichten gibt es bei der BT lange Wartelisten.
„Für mich ist das ideal, ich habe mich längst daran gewöhnt, tagsüber zu schlafen“, sagt Becker. „Nach dem Aufwachen gegen Mittag gehe ich ein, zwei Stunden joggen und kann dann frisch geduscht den Nachmittag mit meiner Familie verbringen.“ Dass er für die Nachtarbeit Lohnzuschläge sowie Extraurlaubstage bekommt, gefällt ihm natürlich auch.
Menschliche Begegnungen und blinde Passagiere
Als seine Pause in der Titiseestraße langsam zu Ende geht, ertönt in seinem Bus ein Piepton. Noch wenige Minuten, dann muss Mark Becker weiterfahren, signalisiert ihm das automatische System im Cockpit des Busses. Es zeigt auch an, ob er pünktlich ist, und sagt die Stationen an. Dank GPS weiß es genau, wo sich das Fahrzeug befindet. Früher war Busfahren ein richtiger Kraftakt, heute vereinfacht die Servolenkung das Steuern des gut 12 Meter langen Gefährts entscheidend.
Zuvor hat Mark Becker bei seinem Kontrollgang durch den Bus einen Regenschirm eingesammelt, der Klassiker unter den Fundstücken. Es war aber auch schon ein Hund dabei. Den blinden Passagier fand Mark Becker im Bus der Linie 109. „Als ich ihn gerade entdeckt hatte, kam der Besitzer schon ganz aufgeregt mit dem Taxi angefahren“, erinnert sich Mark Becker lachend. „Er hatte sich darauf verlassen, dass ihm das Tier beim Aussteigen folgt, und sich sehr erschrocken, als es nicht da war.“
Es sind menschliche Begegnungen wie diese, die Mark Becker an seiner Arbeit liebt: die ältere Dame, die ihm eine Tafel Schokolade zusteckt, weil er auf sie gewartet hat. Die Stammgäste, die oft zur gleichen Uhrzeit einsteigen und mit denen er gerne ein paar Worte wechselt. Mögliche Konflikte löst er lieber mit einem lockeren Spruch als durch Konfrontation. Will jemand vor einem Imbiss unerlaubt mit einem Döner oder einer offenen Bierflasche einsteigen, wartet der Busfahrer auch mal geduldig, bis er alles verpackt hat. Die Verzögerung holt er nachts schnell wieder rein.
Nur auf Silvesterdienste kann Mark Becker gut verzichten. „Das ist die schlimmste Nacht des Jahres“, stöhnt er. „Einige Leute verstehen nicht, dass ich einen schweren Unfall bauen kann, wenn sie den Bus mit Raketen oder Böllern beschießen.“
Eigenständig und zuverlässig
Die anderen Nächte des Jahres sind dafür umso ruhiger. Mit Stau, Demos oder vollen Bussen nach Schulschluss muss sich Mark Becker während seiner Nachtschicht jedenfalls nicht plagen. Verspätungen kommen fast nie vor, und er ist sein eigener Chef. Außer bei technischen Problemen hat Mark Becker mit seiner Leitstelle nichts zu tun. Dafür muss er absolut zuverlässig sein. „Wir lösen uns oft auf der Strecke ab“, erklärt er. „Das heißt, der Kollege hat den Bus voller Leute und erwartet, dass er ihn pünktlich übergeben kann.“
Mark Beckers Schicht endet um kurz vor fünf. Er fährt den leeren Bus zum Betriebshof Müllerstraße, wo das Fahrzeug gereinigt und frisch betankt wird. Mit dem Fahrrad fährt der Busfahrer die fünf Kilometer nach Hause nach Wittenau. Die Bewegung tut gut nach dem langen Sitzen hinterm Lenkrad. Wenn die Sonne langsam aufgeht, sinkt Mark Becker müde ins Bett.
Interesse bekommen?
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Text: Judith Jenner / Fotos: Verena Brüning