Kleingarten voller Hauptstadtgeschichte Märkisches Viertel trifft Brandenburg

Wie ein (ehemaliger) MV-Mieter Berliner Straßenmöbel bewahrt – und im Garten wiederaufleben lässt.

24. Juni 2025
Fabian Wolf inmitten seiner Sammlung von Straßenmöbeln aus dem Märkischen Viertel
Fabian Wolf springt über ein blaues Geländer
Fabian Wolf läuft mit einem Laubbläser seinen Garten entlang

Fabian Wolf hat sich vor 14 Jahren eine Telefonzelle aus dem Märkischen Viertel in seinen Brandenburger Schrebergarten gestellt. Seitdem wächst seine Sammlung von Berliner Straßenmöbeln und -schildern. Warum macht er das? 

Berliner Straßenmöbel in Brandenburg 

In einem Kleingarten im brandenburgischen Kirchmöser, fernab vom Großstadtlärm, liegt das Märkische Viertel. Natürlich nicht die ganze Großwohnsiedlung mit allen Hochhäusern und Bewohner*innen, aber doch einige entscheidende Details. Statt Obstbäumen, Gemüsebeeten und grünem Rasen sind in diesem Garten rote Gehwegplatten verlegt. Darauf zwei grüne Berliner Parkbänke, eine ausgemusterte gelbe Telefonzelle mit Münzfernsprecher, eine Straßenlaterne, drei pinkfarbene Poller mit blauen Schildern und einem blauen Geländer, ein Mülleimer der Berliner Stadtreinigung sowie ein Straßenschild mit der Aufschrift „22–6 h“. Willkommen in der charmantesten Exklave Berlins! 

Der selbstständige Mediengestalter Fabian Wolf (39) aus Kirchmöser sammelt Berliner Straßenmöbel der 1990er- Jahre – speziell aus dem Märkischen Viertel. Außerdem interessiert er sich für Merchandise wie Artikel vom Wiesenfest und Schilder, etwa die von McDonald’s, und Werbeplakate – sofern auch diese Werbeartikel aus den 1990er-Jahren stammen. Es scheint, als würde Fabian Wolf sich seine großstädtische Jugend zurückholen wollen in den kleinstädtischen Garten.

rosa-roter Pfosten

„Das Viertel hat mich nie wirklich losgelassen.“ 

Zwischen Kindheitserinnerungen und Sammelleidenschaft 

Mit sechs Jahren ist Wolf mit seiner Familie von Kirchmöser ins Märkische Viertel gezogen. Er verbrachte seine gesamte Schulzeit und Jugend dort, bevor er mit 16 Jahren zurück zu seiner Oma nach Brandenburg zog. Diese zehn Jahre in der ersten Neubausiedlung des ehemaligen West-Berlins prägten Wolf – und sind heute das Herz seiner Berliner Straßenmöbel-Sammlung.

Es gibt Bilder in seinem Kopf, in denen er mit seinen Kumpels in den 1990er-Jahren an der Bushaltestelle neben der Telefonzelle abhängt. „Damals hatte noch nicht jeder ein Handy und Freunde haben dort angerufen, ob es sich lohnt vorbeizukommen.“ In den Nullerjahren verschwinden die Telefonzellen – genau wie Wolfs Zeit des Abhängens. Als er 2014 eine ausgesonderte gelbe Telefonzelle der Telekom abkauft, beginnt seine außergewöhnliche Leidenschaft und Sammlung.

Daraufhin speichert er sich bei eBay den Suchbegriff „Märkisches Viertel“ und stößt auf altes Merchandise, das ihn weiter an seine Jugend erinnert. Wolf denkt sich: „Mensch, wär schon cool, wenn man so etwas wiederbekommen könnte.“ Die Obsession beginnt – elf Straßenmöbel und diverse Werbeplakate aus dem Viertel finden in den nächsten Jahren nach und nach ihren Weg in seinen Garten.

Restaurieren wie im Märkischen Viertel 

Um die 300 Stunden im Jahr investiert Fabian Wolf in die Suche und Restaurierung seiner Berliner Straßenmöbel-Sammlung. Auch seine Freunde sind involviert und helfen beim Transport der Möbel oder wenn es um wichtige Details geht. So hat ein Freund, der noch im Viertel wohnt, mal nachts eine Schraube kurzzeitig von einem Poller und dessen Schild abgeschraubt und fotografiert, damit Fabian zur Befestigung der Schilder die gleichen Schrauben und Muttern verwendet wie im Original.

Die Schilder selbst baute er ebenfalls mithilfe eines Kumpels und dessen Stahlbaufirma detailgetreu nach. Mittlerweile hat Fabian Wolf auch die richtigen RAL-Farbnummern, um die Poller wie im Original zu lackieren. „Die Poller müssten etwas rötlicher sein, nicht ganz so pink“, sagt er. „Wenn ich etwas anfange, dann will ich es ganz genau wissen. Ich fange nicht an, wild irgendwas umzusetzen.“

Fabian Wolf reinigt das Schild mit Aufschrift "Tiefenseer Str. 1"
eine Hand reinigt ein blaues Schild zur Feuerwehrzufahrt
Fabian Wolf posiert in einer gelben Telefonzelle
Zwei Hände halten das Telefon in einer gelben Telefonzelle. Auf dem Telefon steht eine Fanta-Dose

Ein Garten wie eine Zeitkapsel 

Viele helfende Hände hatte er auch beim Umbau des Gartens, der ganz nach der Telefonzelle ausgerichtet wurde, da diese stehend auf einem kleinen Betonsockel maßgebend für die Fugen der Gehwegplatten war.

Seine Leidenschaft für die kleinsten Details zeigt sich auch innen in der gelben Zelle: Plakate und Werbung aus den 1990er-Jahren hängen an den Wänden, Telefonbuchhalterung samt Telefonbüchern sind montiert, eine Fanta-Dose von 1994 steht griffbereit und selbst ein Kaugummi, der unter dem Münzfernsprecher klebt – nicht von ihm platziert, sondern ein stilles Relikt – fehlt nicht. „Ich wollte unbedingt, dass es eine ganz normale Telefonzelle bleibt, und keine Dusche daraus machen, wie es viele machen“, sagt er.

Es gibt nichts aus dem Märkischen Viertel, was Fabian Wolf nicht interessant findet. Als nächstes Projekt möchte er Straßenschilder von der „Tiefenseer Str.“ und dem „Wilhelmsruher Damm“ ausfindig machen. Da ist er aufgewachsen. Die Krönung seiner Berliner Straßenmöbel-Sammlung jedoch wäre eine Bushaltestelle mit Sitzbank, Fahrplan und Werbetafel im Garten, erzählt er mir mit einem Lächeln im Gesicht. „Im Garten sitzen, vor Wind und Wetter geschützt sein und neben einer Telefonzelle grillen, das hat einen ganz eigenen Charme.“


Text: Laura Lückemeyer / Bilder: Hannes Jung


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