Zurück in die Zukunft

Im Laufe von 125 Jahren hat die GESOBAU Berlins Wohnlandschaft geprägt. Von visionären Experimenten bis zu bewährten Konzepten – wir zeigen, welche Ideen die Zeit überdauert haben.

23. September 2025
Eine Collage aus mehreren KI-generierten Bildern: Ein Kopf im Profil, Ein Wohnhaus, 2 Personengruppen

Im Laufe von 125 Jahren GESOBAU haben sich so einige Ideen angesammelt – manche haben sich als revolutionär erwiesen, manche sind wieder in der Versenkung verschwunden. Wir stellen einige der Zukunftsvisionen von gestern vor.

Wohnungen für alle: Die Mission der GESOBAU

Von einer bezahlbaren Wohnung können viele Menschen in Berlin nur träumen. Die GESOBAU (die zuerst „Aktiengesellschaft für Bahnen und Tiefbauten“ hieß) baute am Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst U-Bahn-Tunnel. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird sie zu einem kommunalen Wohnungsbauunternehmen. Sie will sich am Aufbau von Berlin beteiligen und sozialen Wohnraum schaffen.

Die Aktiengesellschaft für Bahnen und Tiefbauten wird als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt und in Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau gemeinnützige Aktiengesellschaft (GeSoBau) umbenannt. In den 1960er-Jahren entsteht mit dem Märkischen Viertel eine der größten sozialen Wohnsiedlungen der Hauptstadt – ein Meilenstein in den 125 Jahren GESOBAU.

Aber nicht immer wurden Wohnungen so dringend gesucht wie heute. Um die Jahrtausendwende gab es so viele freie Wohnungen, dass neue Mieter*innen zeitweilig mit einem kostenlosen Geschirrspüler gelockt wurden. Heute sind bezahlbare Wohnungen in der Hauptstadt wieder rar. Derzeit verwaltet die GESOBAU rund 48.700 Wohnungen und bietet 100.000 Menschen ein Zuhause. Allein 2024 wurden 664 neue Wohnungen fertiggestellt. Bis 2026 will die GESOBAU ihren Bestand auf 52.000 Wohnungen ausbauen.

„Wohnen, das ist ein Grundbedürfnis und sollte niemandem verwehrt sein.“

– Kathleen Bressau, Immobilienbewirtschaftung 

Revolutionäre Wohnkonzepte der 60er-Jahre in Berlin

In den 1960er-Jahren öffnete sich nicht nur die Gesellschaft in ihren Wertvorstellungen. Auch die Architekt*innen des Märkischen Viertels dachten darüber nach, wie die Grundrisse der neuen Großwohnsiedlung für Berlin den Geist der neuen Zeit in sich tragen könnten: Sie planten großzügige Eingangsbereiche mit Wohnraumcharakter als Herzstück des Familienlebens. Die offenen Raumkonzepte sollten mehr Zusammenhalt und Kommunikation ermöglichen.

In der Praxis erwiesen sich die ineinander übergehenden Räume für wachsende Familien als unpraktisch. Küchen und Kinderzimmer waren im Vergleich zu heutigen Wohnräumen eher klein. In einer Wohnungsgruppe waren die Fensterbrüstungen so hoch angebracht, dass die Kleinen nur auf Betonwände statt nach draußen gucken konnten. 

Im Zuge der energetischen Sanierung ab 2011 wurden daher viele Wohnungen umgebaut. In den Treppenhäusern wurde beispielsweise eine Zugangsebene mit Fahrstuhl installiert, von der man die Wohnungen ein Stockwerk höher oder niedriger erreichen konnte. In der Praxis bereiteten die Stufen den alternden Mieter*innen jedoch Schwierigkeiten. Heute wird bei Neubauten auf Barrierefreiheit geachtet.

„Was einst als Vision begann, wurde im Alltag auf die Probe gestellt – und hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, auf die Bedürfnisse der Menschen zu achten.“ 

– Christa Beck, Teamleiterin Neubau und Bestandserweiterung

Serielles Bauen: Berlins Antwort auf die Wohnungsnot

Eine Collage aus zusammengesetzen Wohnblöcken

In den 1960er-Jahren umschnürte die Berliner Mauer West-Berlin wie ein Korsett. Es fehlte an Wohnraum, weswegen die GESOBAU innerhalb von zehn Jahren im Märkischen Viertel 17.000 Wohnungen für fast 40.000 Menschen errichtete. Dabei setzte sie auf das serielle Bauen mit vorgefertigten Betonelementen. Diese Bauweise sparte Kosten und Zeit. Besonders innovativ waren im Märkischen Viertel die verschiedenen Grundrisse der Häuser.

In einigen Fällen nutzt die GESOBAU vorgefertigte Holz-Hybrid- oder Stahl-Module, die sich zeit- und energieeffizient vor Ort zusammensetzen lassen. Auf diesem Weg hat die GESOBAU seit 2018 zum Beispiel auch bezugsfertige Wohnungen für geflüchtete Menschen errichtet. Vier solcher Projekte gibt es mittlerweile.

„Wohnen bedeutet mehr als nur ein Dach über dem Kopf zu haben. Es geht um Teilhabe, Unterstützung und gelebten Zusammenhalt.“ 

– Helene Böhm, Leiterin Sozial- und Quartiersmanagement 

Erste Stiftung zur Selbsthilfe einer Wohnungsbaugesellschaft

Eine Collage von Händen die einen Kaffeebecher, Orangenbaum und Fotos halten.

Eine Mieterin ist unverschuldet in finanzielle Nöte geraten, die Nachbarschaft will im Quartier einen Gemeinschaftsgarten anlegen, Kinder brauchen Schulmaterialien: Seit 1997 vergibt die GESOBAU-Stiftung schnell und unbürokratisch Gelder an Mieter*innen in Not oder an Initiativen in den Quartieren. Die Stiftung war die erste ihrer Art in der Wohnungswirtschaft und zählt damit zu den prägenden Projekten in der 125-jährigen Geschichte der GESOBAU.

Seit ihrer Gründung wurden rund 540 Hilfen in Höhe von insgesamt 620.000 Euro vergeben. Einige Beispiele: 170 Schulstart-Taschen für Kinder, Technikkurse für Senior*innen, ein Naturerlebnisort für Kinder. 2025 hat die GESOBAU-Stiftung zum sechsten Mal einen Förderwettbewerb ausgeschrieben. Preisgelder in Höhe von insgesamt 35.000 Euro werden an Angebote für Alleinerziehende vergeben. Es ist auch eine Investition in die Zukunft: Wer in die Gemeinschaft investiert, verbessert das Zusammenleben für alle. 

Der Traum vom Altern im eigenen Zuhause

In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft möchten Mieter*innen möglichst selbstbestimmt und lange in ihren vertrauten Wohnungen leben können. Die GESOBAU hat frühzeitig auf den demografischen Wandel reagiert und startete 2014 das Modellprojekt „Pflege@Quartier“ im Märkischen Viertel. Im Rahmen des vielfach prämierten Projekts wurden mehr als 30 Modell-Wohnungen mit sogenannten AAL-Lösungen (Ambient Assisted Living) ausgestattet. Dazu gehörten Sturzmelder, Orientierungslichter und Herdwächter.

Manche digitalen Module, wie die Lichtsteuerung per App, erwiesen sich als zu kompliziert, andere, wie ein Notrufsystem, haben sich bewährt. Das Ziel bleibt: GESOBAU-Mieter*innen zeigen, wie digitale Assistenzsysteme das Älterwerden und Sicherheit in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Auch nach 125 Jahren bleibt der GESOBAU Innovation wichtig.

Eine Collage aus übereinandergestapelten Häusern auf Gelb. Im Vordergrund ist eine Bank mit 3 älteren Personen, sowie eine ältere Person mit Gehstock und Kind mit einer Orange.

Deutschlands erster Abenteuerspielplatz entsteht in Berlin

Wie wollen Kinder spielen? In den 1960er-Jahren wurde im größten GESOBAU-Kiez echte Pionierarbeit geleistet und der erste Abenteuerspielplatz Deutschlands eröffnet. Hier konnten Kinder unter der Anleitung von Pädagog*innen selbst Hütten bauen, Feuer machen oder sich bei Wasserschlachten austoben.

Der Wunsch kam von den Bewohner*innen: Ihren Kindern sollte eine Alternative zum gefährlichen Spielen auf den Baustellen des Märkischen Viertels geboten werden. Der erste „Skrammellegeplads“ (wörtlich: „Schrottspielplatz“) wurde übrigens bereits 1943 in Dänemark eröffnet. In Deutschland galt das Konzept als revolutionär. Heute gibt es Abenteuerspielplätze in jeder Stadt – ein Experiment, das die 125 Jahre GESOBAU mitgeprägt hat und längst zum Standard geworden ist.

Gästewohnungen der GESOBAU: Eine Idee ihrer Zeit

Ein Sprichwort besagt, dass Besuch wie Fisch ist – nach drei Tagen beginnt er zu stinken. Deswegen konnte man seit den 1980er-Jahren bei der GESOBAU Gästewohnungen anmieten. 1985 öffnete im Märkischen Viertel die erste ihrer Art, das Angebot stieß auf reges Interesse und wurde ausgebaut. 

Später kamen auch Wohnungen im Wedding, in Pankow und Weißensee dazu, die temporär zusätzlichen Wohnraum boten. Die Gästewohnungen waren ein innovatives Konzept, das im Laufe der 125 Jahre GESOBAU entstand und den Bedürfnissen der Mieter*innen entgegenkam. Mittlerweile ist der Bedarf an Wohnraum in Berlin aber zu groß, um ihn nur für Gäste frei halten zu können. Daher wurden die Gästewohnungen aufgelöst.

„Gemeinsam neue Wege zu gehen, hat uns als Kolleg*innen nähergebracht – und Berlin ein Stück mehr zusammenwachsen lassen.“

– Solveig Beck, Betriebsratsvorsitzende

Berlin wächst zusammen: Die GESOBAU nach der Wende

Eine Collage einer schwebenden Stadt mit Wolke darüber. Im Vordergrund sind Menschen, die darauf schauen.

Im Jahr 1990 beginnt für Berlin eine neue Zeitrechnung. Die Mauer ist gefallen, Berlin wächst wieder zusammen. Die GESOBAU übernimmt 1997 die WohnBau in Pankow mbH und 1998 die WBG Weißensee. 

Die Zusammenführung der Bestände und Verwaltungen aus Ost- und West-Berlin ist ein Kraftakt. Nicht nur, weil Mentalitäten und Erfahrungen aufeinanderstoßen. Ganz konkret müssen EDV und die Bewirtschaftung der Quartiere Schritt für Schritt vereinheitlicht werden.

In Pankow übernimmt die GESOBAU große Altbaubestände, die sie über die Jahre aufwendig saniert. Sie erweitern und bereichern das Angebotsspektrum, dessen Fokus bis dato in der Großwohnsiedlung Märkisches Viertel lag. Für die nun zur GESOBAU gehörenden Mitarbeiter*innen in Ost-Berlin ist es ungewohnt, dass Frauen in Teilzeit arbeiten, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Die Mieter*innen im Osten der Stadt waren es wiederum bis zur Wende gewohnt, ihre Miete auch in bar an der Wohnungstür zu entrichten, der direkte Draht zur Verwaltung war allein dadurch gesichert. Beide Seiten lernten voneinander. 

Endgültig vollendet ist die Vereinigung Ende 2019 mit dem Einzug in die neue Hauptverwaltung am Stiftsweg – ein wichtiger Moment in den 125 Jahren der GESOBAU in Berlin.

40 Jahre Mieterbeiräte: Demokratie im Wohnungsbau

Seit mehr als 40 Jahren gibt die GESOBAU den Mieter*innen eine Stimme. Als eine der ersten Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland führte sie bereits 1984 Mieterbeiräte ein. Alle fünf Jahre werden Verantwortliche durch die Mieterschaft gewählt und vertreten deren Interessen gegenüber der GESOBAU. Derzeit engagieren sich rund 60 Mieterbeiräte und können die Entwicklung in den Quartieren beeinflussen.

In Hellersdorf begleiteten sie den Bau des neuen Quartiers, in Pankow die Modernisierung der Gebäude aus den 1950er-Jahren und die Mobilitätswende im Viertel, im Märkischen Viertel die umfassende energetische Sanierung.

Das Ergebnis: lebenswertere Kieze mit hoher Partizipation. Seit 2024 sind Mieterbeiräte für alle landeseigenen Wohnungsbauunternehmen in Berlin verpflichtend – was die GESOBAU in ihren 125 Jahren als Pionier begann, ist heute Standard.

Sozialmanagement seit 2007: Konflikte lösen, bevor sie entstehen

Hände und Vögel collagiert über einem Wohnhaus.

Wo viele Menschen zusammenleben, kommt es auch zu Konflikten. 2006 überlegte die GESOBAU, wie sich diese verhindern oder schnell lösen lassen, und engagierte die Migrationsexpertin Barbara John als „Integrationsbeauftragte“. Als eine Folge wurde 2007 der Bereich Sozial- und Quartiersmanagement gegründet.

Er besteht seit 2019 aus neun Sozialmanager*innen, die Mieter*innen in vielen sozialen Fragen unterstützen: von der Beratung bei Mietschulden, Vereinsamung oder Überforderung bis zur Moderation bei Konflikten in der Familie oder in der Nachbarschaft. Der Ansatz ist, Probleme zu erkennen, bevor sie eskalieren. 

Denn am Ende geht es für die GESOBAU darum, möglichst vielen Menschen ein möglichst gutes Leben unter gemeinsamen Dächern zu ermöglichen. Die politischen, zeitgeistigen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen mögen sich ändern – aber das Ziel bleibt immer das gleiche.

Die ganze Firmengeschichte aus 125 Jahren GESOBAU mit vielen Bildern und Zeugnissen finden Sie hier: www.gesobau.de/jubilaeum 


Text: Petra Krimphove / Bilder: KI-generierte Bilder collagiert


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