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Im Kiez

Bankgeheimnisse

In einigen Berliner Kiezen stehen sogenannte Plauderbänke, auf denen Nachbar*innen wieder näher zusammenrücken. Wer sitzt dort? Ein Selbstversuch im Wedding.

Fast schon verschämt steht die Bank da, am Rand eines Bewegungsparks mit Rudergeräten und Gerüsten aus Edelstahl für Senior*innen. Ringsherum die Wohnhäuser der GESOBAU in der Schillerhöhe und ein Sanitär-Meisterbetrieb. Dazwischen plötzlich eine graue Metallbank. Nur ein kleines Schild verweist darauf, dass in dieser Nachbarschaft etwas Besonders passiert: „Hier wird sich ausgetauscht!“

Die Plauderbank als Ort der Begegnung

Ich bin hierhergekommen, um eine sogenannte Plauderbank in der Armenischen Straße zu testen – eine von insgesamt drei Sitzgelegenheiten, die die GESOBAU bislang in ihren Beständen hier in Berlin geschaffen hat. Mit dem Projekt möchte die Wohnungsbaugesellschaft einen Ort zur Begegnung schaffen, zum Austausch und gegen die Einsamkeit der Großstadt. Und während ich mich mit meiner Thermoskanne niederlasse, überlege ich: Ist es Absicht, dass man die Bank nicht auf den ersten Blick erkennt?

Senior*innen beim Nachbarschaftsplausch

Während ich auf der Bank sitze, zieht das ruhige Leben der Armenischen Straße an mir vorbei. Mein Blick fällt auf das Seniorenwohnhaus gegenüber. Auch dort steht eine Bank. Sogar aus Holz und direkt in der Sonne. Immer wieder schaue ich verstohlen zu einem älteren Herrn hinüber, der sich angeregt mit einer Dame unterhält. Ich gehe zu ihnen, wir verstehen uns sofort gut. Aber die beiden wollen nicht mit auf meine Plauderbank kommen. Logisch – sie haben ja selbst eine – und außerdem warten sie darauf, dass ein Seniorenmobil geliefert wird.

Inzwischen ist auch auf meiner Plauderbank die Sonne angekommen – und Angelika. Die Berliner Rentnerin ist unterwegs zum Schwimmbad an der Seestraße. Beim Vorbeigehen habe sie dann die Bank entdeckt. Die findet sie eine „niedliche Idee“, sagt die 70-Jährige. In ihrem Heimatbezirk Hermsdorf gebe es solche Initiativen nicht. „Da unterhalten sich die Leute aber auch noch freiwillig.“

Plauderbänke sind eine Idee der Organisation „Silbernetz“

Und tatsächlich stammt die Idee ursprünglich von der Organisation „Silbernetz“, die solche Bänke für Senior*innen aufgestellt hat. Zwar sind nicht nur Senior*innen anfällig für Vereinsamung – aber auch bei ihnen nimmt das Gefühl zu. Die ersten drei Berliner Plauderbänke der GESOBAU stehen deshalb auch nicht ganz zufällig in unmittelbarer Nähe zu Seniorenwohnhäusern.

Die resolute Berliner Rentnerin

Angelika hat Lust zu reden, vielleicht auch ein bisschen zu meckern. Sie ist ein Mensch, für den das Wort „resolut“ erfunden worden sein muss. Engagiert, aufgeschlossen – und wenn ihr etwas gegen den Strich geht, auch ziemlich energisch. Das haben schon einige Berliner Behörden zu spüren bekommen. Angelika erzählt, dass sie aktuell sogar Hausverbot im Freibad Lübars hat, weil sie sich bei den Berliner Bäderbetrieben beschwert hat. „Es gab den ganzen Sommer kein Trinkwasser im Bad! Das geht doch nicht!“ Sie habe sich mit der Security angelegt und dürfe jetzt nicht mehr rein. „Na ja, was soll’s – die Freibadsaison ist ohnehin vorüber.“ Angelika liebt das Wasser, das Schwimmen, die Bäder. Im Alter von fünf Jahren besuchte sie mit ihrer Großmutter regelmäßig das Stadtbad Neukölln. Damals ein Wannenbad mit einzelnen Kübeln zur Körperhygiene. „Als Kind hatte ich wahnsinnige Angst vor den riesigen Stöpseln in den Abflüssen“, erzählt sie. Heute verbringt sie ihre freie Zeit regelmäßig im gechlorten Wasser der Berliner Bäder. Inzwischen hat sie sich sogar zur Rettungsschwimmerin ausbilden lassen. Und da fällt ihr ein: Sie muss ja los, noch ein paar Bahnen ziehen. Sie eilt davon und ich hoffe, sie hat Trinkwasser dabei.

Gegen 13 Uhr wird es dann plötzlich lebendig. Schulschluss in der nahegelegenen Gottfried-Röhl-Grundschule. Eine Gruppe Drittklässler*innen entert den Bewegungspark, ein Junge stellt seinen Rucksack neben mich, klettert auf ein Sportgerät und ruft etwas zu seinen Freund*innen. Die brauchen keine Plauderbank, denke ich.

Eine Mutter lässt sich auf ein Gespräch ein

Nicht weit entfernt steht seine Mutter. Jennifer findet die Plauderbänke eine schöne Idee. Aber da gehöre „viel Vertrauen dazu“, sich mit Fremden einfach so zu unterhalten. Vorsichtig tasten wir uns im Gespräch vor. Die junge Frau beschäftigt sich viel mit den Gefahren von sozialen Medien für ihr Kind. Diese „neue Welt“ mache ihr oft Angst. „Ich komme da einfach nicht mehr mit.“ Hier draußen kann sie ihren zehnjährigen Sohn Jason beschützen, auf den digitalen Spielplätzen wird das schwieriger. Jennifers Gedanken kreisen um gefährliche TikTok-Challenges, Mobbing und Gewalt auf dem Schulhof. Als sie ihren Satz gerade zu Ende bringen will, unterbricht uns Jason. Ihm reicht es jetzt mit seinem Sportprogramm und Mamas Plaudereien. Er will nach Hause.

Ein guter Ort, um mit der Nachbarschaft zu sprechen

Meine Thermoskanne leert sich allmählich, die Sonne ist weitergezogen. Ich will ehrlich sein: Vor meinem Selbstversuch war ich mir unsicher, ob das wirklich funktionieren könnte: eine Bank, ein Schild – und schon kommen wir uns näher. Der Tag auf der Metallbank in der Armenischen Straße hat mich aber tief in die Lebenswelten von Menschen hineingeführt und gezeigt: Wir sollten alle mehr miteinander reden. Und dafür einen Ort zu schaffen, ist ein guter Anfang.

Während ich so meinen Gedanken nachhänge, hupt es plötzlich hinter mir. Es ist der Rentner von der Sonnenbank auf seinem neuen Seniorenmobil. Stolz dreht er eine Runde um die Plauderbank.

Zusatzinfos:

Die Plauderbänke der GESOBAU stehen im Märkischen Viertel (Eichhorster Weg 32, Senftenberger Ring 54) und im Wedding (Armenische Straße 12), weitere Bänke sind in Planung.

Sie kennen eine Bank in Ihrer Wohnanlage, die sich gut als Plauderbank eignen würde? Teilen Sie uns den Ort mit über: engagiert@gesobau.de

Weiterführende Links: Auch der rbb berichtet über die Plauderbänke im Berliner Wedding.


Foto: Verena Brüning


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