Kiezspaziergang Fräulein Kimchi und das Komponistenviertel
Grün, ruhig und vielseitig: Weißensee ist ein Idyll mitten in der Stadt. Die Köchin und Unternehmerin Lauren Lee zeigt uns ihren neuen Kiez.

„Ich bin ja noch ganz neu hier“, sagt Lauren Lee lachend, als sie uns begrüßt. Die koreanisch-amerikanische Unternehmerin, die sich in der Berliner Gastronomieszene vor allem als Fräulein Kimchi einen Namen gemacht hat, ist erst im April dieses Jahres mit ihrem Betrieb ins Komponistenviertel nach Weißensee gezogen. Und mit jeder Woche, die vergeht, erkundet sie gemeinsam mit ihrem kleinen Hund Hugo ein neues Stück des Stadtteils.
Vor zwölf Jahren zog Lee von Los Angeles nach Berlin, der Opernszene wegen. Einige Zeit später begann sie, nebenbei ein Streetfood-Projekt aufzubauen. Dabei kombinierte sie die koreanischen Kochtraditionen ihrer Familie mit Fastfood-Klassikern ihrer US-amerikanischen Heimat. Heute hat sie die Opernkarriere an den Nagel gehängt und konzentriert sich auf ihr kleines, feines Gastrounternehmen. Von ihrer Küche in der Gounodstraße aus versorgt sie Büros und Privatpersonen mit Catering. Ihre Kimchi-Tacos (Kimchi ist nach koreanischer Art eingelegtes Gemüse) gibt es zudem auf Food-Märkten in ganz Deutschland. Künftig sollen auch Kochkurse in ihren Räumen stattfinden, und an Wochenenden möchte sie amerikanisch inspiriertes Frühstück anbieten. „Wir wollen den Kiez zu uns einladen können“, sagt Lee, während sie mit ihren Mitarbeiter*innen letzte Vorbereitungen für den nächsten Tag trifft.
Lauren Lee ist in die Gounodstraße nach Weißensee gezogen. Ihre Küche: Koreanisch mit internationalem Einfluss
Kiezleben im Komponistenviertel
Am Komponistenviertel – das sich von der Berliner Allee im Norden bis zum Jüdischen Friedhof im Süden erstreckt – schätzt sie die Ruhe, aber auch den Kontakt mit den Menschen, die dort wohnen. „Mehrere Nachbar*innen haben vorbeigeschaut, nachdem sie mich in einer Fernsehsendung des RBB über Berliner Spitzenköchinnen gesehen haben“, berichtet sie stolz. „Eine hat uns sogar gleich für ihre Geburtstagsfeier gebucht!“
Als wir von der Gounodstraße zu unserem Spaziergang aufbrechen, erzählt die 41-Jährige, dass Weißensee auch eine Rückkehr zu ihren Anfängen in Berlin sei. An der Berliner Allee lebte ihre erste Deutschlehrerin und in der Börnestraße eine befreundete Pianistin. „Von ihr weiß ich auch, dass Weißensee lange eigenständig war und erst vor etwa hundert Jahren in Berlin eingegliedert wurde“, berichtet die Köchin. Der Ortsteil gehört heute zu Pankow, hat aber seinen eigenen, familiären Charakter beibehalten.
Der Wochenmarkt auf dem Antonplatz: Die Köchin und Unternehmerin liebt das frische Brot
Lauren Lee genießt ihr Eis. Doch das Eiscafé „Surprise“ in der Langhansstraße bietet auch hausgemachten Kuchen an
Antonplatz: Wochenmarkt und "Kino Toni"
Wir erreichen den Wochenmarkt auf dem Antonplatz. Die Feinschmeckerin stürzt sich ins Getümmel: „Hier würde ich gern auch für meinen Betrieb einkaufen, aber wir brauchen größere Mengen, als die Händler*innen liefern könnten.“ Und so kommt sie lediglich privat hierher. Gezielt geht sie auf den Stand eines Bäckers zu: „Meine Mutter ist aus den USA zu Besuch, und sie liebt deutsches Brot!“
Wir blicken auf das historische Kino Toni, das Lee bisher nur von außen kennt. „Leider“, sagt sie, „aber das steht unbedingt noch an.“ Anfang der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts befanden sich am Antonplatz noch sieben Filmtheater, heute ist nur noch ein einziges übrig geblieben. Der Münchener Regisseur Michael Verhoeven betrieb das Haus von 1992 bis 2017, heute liegt es in den Händen des Filmverleihs Neue Visionen.
Kino Toni
Antonplatz 1, 13086 Berlin
Tel. 030 9279 1200
www.kino-toni.de
Café-Tipps für Weißensee
Köstlichen Kaffee gibt es im Café „Babuschka“ in der alten Fischräucherei in der Behaimstraße
Wir spazieren weiter zum Eiscafé „Surprise“. „Hier gibt es nicht nur Eis, sondern auch tollen selbst gebackenen Kuchen. Das Café gibt es schon seit über 40 Jahren, und es ist eine Institution im Kiez“, weiß Lee. Unweit des Eiscafés befindet sich ihre nächste Empfehlung, das „Babuschka“ in der alten Fischräucherei. Das moderne russische Café ist beliebt bei Schüler*innen der Ostkreuzschule für Fotografie, die direkt nebenan beheimatet ist. Lee bestellt sich hier einen Kaffee und schwärmt: „Der ist so gut hier, genauso wie die hausgemachten Limonaden. Und noch dazu ist es so hübsch!“
Eiscafé Surprise
Langhansstraße 136, 13086 Berlin
geöffnet: Mo bis Fr 12–18 Uhr,
Sa und So 13–18 Uhr
Tel. 030 9251 265
www.eiscafe-surprise.de
Babuschka in der alten Fischräucherei
Behaimstraße 32, 13086 Berlin
geöffnet: Mo bis Fr 9–15 Uhr,
Sa und So 10–16Uhr
Tel. 030 5565 6003
www.babuschka-in-der-alten-fischraeucherei.de
Flanieren am Weißen See
Gut aufgewärmt geht es weiter in Richtung Grün. Es gebe in Weißensee so viele schöne Routen für ihre Spaziergänge mit ihrem Hund, und sie könne ihn auch mal von der Leine lassen, erzählt Lauren Lee. Im Kollwitzkiez, wo sie bis vor Kurzem kochte, war das nicht möglich. Doch für so einen ausgiebigen Streifzug wie heute habe sie leider nur selten Zeit: „Das ist schon unsere große Runde heute.“ Vorbei an der Gründerzeitarchitektur rund um den Kreuzpfuhl, einem kleinen See, schlendern wir in den Werner-Klemke-Park und gelangen schließlich zum Weißen See. Unser Weg führt uns vorbei am „Milchhäuschen“, einem Café mit Sonnenterrasse auf dem Wasser, dessen Vorgänger schon 1913 am selben Ort eröffnet wurde. Ursprünglich befand sich hier eine Milchverkaufsstelle für Produkte aus dem gemeindeeigenen Landwirtschaftsbetrieb. Heute wird im Café Hausmannskost serviert – und für die Fernsehserie „Weissensee“ diente es sogar als Kulisse.
Der Park am Weißen See mit Strandbad am Ostufer ist ein beliebtes Ausflugsziel
Wir genießen die frische Luft und den herrlichen Blick auf das gegenüberliegende Strandbad, während Hugo neugierig Äste und Sträucher am Ufer beschnuppert. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages tauchen den See in ein goldenes Licht, rundherum tummeln sich Feierabendspaziergänger*innen, sportliche Jogger*innen und Kunstschüler*innen, die an einem Videoprojekt arbeiten. Für die Hundebesitzerin hat sich der Umzug gelohnt: „Hugo fühlt sich in Weißensee auf jeden Fall sehr wohl“, sagt Lee. „Und wenn er sich wohlfühlt, dann fühle ich mich auch wohl!“
Text: Aida Baghernejad / Fotos: Verena Brüning