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Frau mit VR-Brille

Im Kiez

Ein Blick in die Zukunft

Wie werden wir in zehn, fünfzig oder hundert Jahren leben? Wir haben eine Schulklasse begleitet und uns im Futurium angeschaut, wie Städte der Zukunft aussehen könnten.

Wie werden wir in Zukunft leben? Sagen wir im Jahr 2155? Für den 12-jährigen Lasse aus Wilmers­dorf steht fest, dass die Menschen dann nicht nur auf der Erde, sondern auch auf anderen Planeten siedeln werden. Mit der Über­zeugung ist er nicht allein, fast alle Klassen­kamerad*innen nicken zustimmend. Viele denken sogar, dass sich ihre Enkel*innen und Urenkel*innen dann allein von Tabletten ernähren. Cool finden sie das nicht. Essen muss ja auch gut schmecken, meinen sie. „Wird es 2155 noch Handys geben?“, fragt Josephine, die den Work­shop im Futurium leitet. Die Schüler*innen sind sich nicht einig. „Die Menschen sind viel zu sehr an das Handy gewöhnt“, sagt Nabil. Ella glaubt: „Wir werden dann Kontakt­linsen tragen, mit denen wir direkt ins Internet schauen können.“

Die Fünftklässler*innen sind zu Besuch in Deutschlands erstem „Haus der Zukünfte“. Das Gebäude, das das Futurium beherbergt, sieht aus wie ein riesiger Kubus, der auf einer Ecke steht. Es befindet sich gleich neben dem Berliner Haupt­bahnhof und ist im September eröffnet worden. Hier dreht sich alles um die Frage, wie wir in Zukunft leben werden – oder wollen, denn sie liegt ja in unserer Hand. Dieser Frage geht die Ausstellung des Futuriums in den drei Denk­räumen Natur, Mensch und Technik nach. In verschiedenen Work­shops können Schüler*innen ihre eigenen Ideen einer Zukunft entwerfen. So bauen die Schüler*innen aus Wilmers­dorf an diesem Montag­vor­mittag eine Unter­wasser­stadt. Virtuell natürlich. Dazu sollen sie sich in das Jahr 2155 versetzen. 

Workshopleiterin Josephine erzählt ihnen, dass die meisten Menschen dann in sogenannten Mega­städten mit mehr als zehn Millionen Ein­wohner*innen leben werden. Auch Berlin könnte 2155 etwa zehnmal so viele Ein­wohner*innen haben als heute. Und wer weiß, vielleicht entstehen dann auch Städte auf dem Grund der Meere. Außer­dem wird es wegen des Klima­wandels immer wärmer. Die Kinder bekommen Tablets, auf denen sie die Stadt der Zukunft entwerfen – immer mit dem Ziel, möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen und möglichst umwelt­schonend zu bauen. Das Ganze erinnert an Computer­spiele wie „SimCity“.

Während die Kinder darüber diskutieren, wie ihre Stadt aussehen soll, schauen wir uns im Futurium um. Wir werden dabei von Rosalina Babourkova begleitet. „Wir zeigen, dass die Vor­stellungen von der Zukunft viele Bereiche betrifft: das Leben in der Stadt, die Energie­versorgung, Ernährung, Gesundheit oder die Art und Weise, wie wir arbeiten und Dinge produzieren.“ Die Wissen­schaftlerin hat am University College London Geografie, Urbanistik und Umwelt­management studiert und ist Teil des mehr­köpfigen Teams, das die Aus­stellung konzipiert hat. Zahl­reiche Expert*innen aus Forschungs­instituten und Unter­nehmen haben dabei geholfen und die Konzepte über­prüft. 

Wie die Menschen künftig wohnen werden, ist ein wichtiger Aspekt der Schau. In „Grünen Häusern“ vielleicht? Diese gibt es schon heute, in Mailand beispiels­weise. Dort steht der Bosco Verticale, der „vertikale Wald“. Die zwei Türme wurden vom italienischen Architekten Stefano Boeri erbaut und sind mit über 800 Bäumen und Tausenden von Pflanzen verkleidet. „Die dichte Pflanzen­fassade isoliert das Gebäude und sorgt dafür, dass sich die Innen­räume nur langsam erhitzen und wieder abkühlen“, erzählt Stadt­forscherin Babourkova. „So spart man Energie und verringert den Ausstoß von klima­schädlichem Kohlen­dioxid.“ Doch nicht nur an Haus­wänden, auch auf Dächern, Balkons, Park­plätzen, Bürger­steigen und Straßen werden in Zukunft womöglich Bäume, Sträucher und Blumen wachsen. So soll das Klima dort verbessert werden, wo es am nötigsten ist: in den immer größer werdenden Städten. Gebaut werden die Häuser der Zukunft vor allem aus Holz oder Bambus. Anders als Beton und Stahl, wachsen diese Roh­stoffe nach und belasten die Umwelt und das Klima viel weniger.

So ist im Futurium ein Bau­material zu bewundern, für dessen Herstellung man Pilze braucht. Diese bilden unter­irdisch ein riesiges, wurzel­ähnliches, haar­feines Geflecht. Dieses sogenannte Myzel verbindet sich mit Abfällen aus der Land­wirtschaft (zum Beispiel gehäckselten Mais­pflanzen) und kann die ganze Masse so fest machen wie Beton. 

Auch für Stahl gibt es natürliche Alternativen. In Asien werden zum Beispiel seit jeher selbst Hoch­häuser mit riesigen Gerüsten aus Bambus errichtet. „Wissenschaftler*innen forschen bereits daran, wie man mithilfe von Bambus noch mehr Stahl einsparen kann“, sagt Babourkova. Auch Lehm wird in Zukunft wieder stärker zum Einsatz kommen. „Mithilfe von 3D-Druckern können Architekt*innen daraus viele unter­schiedliche Formen erschaffen und Gebäude künftig direkt an Ort und Stelle entstehen lassen.“

Das Futurium zeigt, wie Städte der Zukunft aussehen könnten

Schon heute können 3D-Drucker ganze Häuser bauen

Foto: ICON
Das Futurium zeigt, wie Städte der Zukunft aussehen könnten

Eine gemeinnützige Organisation plant, Häuser wie dieses in nur 24 Stunden entstehen zu lassen

Foto: ICON

Ihr Obst und Gemüse werden die Menschen später wohl nicht nur auf Feldern, sondern auch auf den Dächern ihrer Wohn­häuser ernten – Tomaten, Kräuter, Kohl, Äpfel und sogar Getreide. In New York wird das bereits erprobt. Die größte Dach­farm der Welt, die Brooklyn Grange, ist so groß wie ein Fußball­feld. Wer wissen will, wie das aussieht, kann die Farm im Internet besuchen: www.brooklyngrangefarm.com In Zukunft werden viele Menschen also nicht nur im Super­markt, sondern auch im eigenen Hochhaus einkaufen können. 

Auch das Zuhause selbst hilft heute schon durch technische Aus­stattung bei all­täglichen Aufgaben. Stichwort: Smart Home. Man kann per App abfragen, welche Vorräte noch im Kühl­schrank lagern und was fehlt. Die Heizung schaltet sich automatisch ein, die Wasch­maschine und der Kühl­schrank stimmen sich unter­einander ab, wer wann Strom verbraucht, sodass die Solar­anlage auf dem Dach immer optimal aus­gelastet ist. Es wird wohl nicht bis 2155 dauern, bis intelligente Systeme in jedem Haus Standard sind. 

Weil die natürlichen Vorräte von Kohle, Erdöl und Gas in Zukunft weiter schrumpfen, werden die Wohnungen der Zukunft vor allem mithilfe von Erd­wärme geheizt. Große Wärme­pumpen ziehen die Wärme aus tieferen Schichten des Erd­bodens. Angetrieben werden sie mit Strom aus erneuer­baren Energien, die aus Sonne, Wind oder den Gezeiten der Meere gewonnen werden. Solar­zellen bedecken dann nicht nur die Dächer, sondern auch Wände und andere freie Flächen, Bus­halte­stellen etwa oder auch Straßen. „Statt Wind­rädern gibt es vielleicht riesige Drachen, die viele Hundert Meter hoch­steigen und dort die Energie des Windes auf­nehmen“, erzählt Babourkova.

Vieles von dem, was im Berliner Haus der Zukünfte zu sehen ist, wird in der nahen oder ferneren Zukunft Wirklichkeit sein – wenn auch nicht genau so, wie wir uns das heute ausmalen. Man muss sich nur einmal ansehen, wie sich die Menschen vor 100 Jahren die Zukunft vor­stellten. So glaubte der Künstler Jean-Marc Côté damals, dass Brief­träger*innen heute auf einer Art beflügeltem Motor­rad sitzen und die Briefe direkt in die Fenster der Wohnungen werfen. Immerhin: Auch wenn unsere Brief­träger*innen bis heute auf dem Boden bleiben, erinnert Côtés Vision natürlich an jene Drohnen, die schon heute für den Transport von Waren erprobt werden.

Und so geht es auch den Fünft­klässler*innen: Ob ihre Vor­stellungen von der Zukunft Wirklichkeit werden oder Science-Fiction bleiben, weiß niemand. Eines ist aber gewiss: Lasse, Marie, Nabil, Ella, Finn und die anderen Kinder haben unzählige Ideen. Und vor allem wissen sie eines: Wenn wir auch im Jahr 2155 noch gerne auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir bereits heute die Umwelt und das Klima schonen. Was jede*r Einzelne dazu beitragen kann? Auch das zeigt das Futurium.

Leben in der Stadt 2030

Svenja Schüler ist Auszubildende bei der GESOBAU im dritten Lehr­jahr. Die 23-Jährige wird Immobilien­kauf­frau. 2019 nahm sie an der „Lern­insel“ teil, einem Förder­programm der BBA – Akademie der Immobilien­wirtschaft. Das dies­jährige Thema war „Stadt und Land der Zukunft 2030“

Sie haben sich mit dem Wohnen in der ganz nahen Zukunft beschäftigt. Was ist denn eine Heraus­forderung für das Leben in der Stadt im Jahr 2030?
Ganz klar: Platz. Immer mehr Menschen kommen in die Stadt, und dann wird es eng. Auch neue Bau­flächen sind nicht so leicht zu bekommen – man muss sich etwas für die bestehenden Gebäude einfallen lassen.

Was denn?
Da gibt es jede Menge Potenzial. Eine Idee: mehr kleine Wohnungen schaffen. Ältere, die in sehr großen Wohnungen leben, könnten sich verkleinern, dafür bekommen sie in einem neuen Geschoss Gemeinschafts­flächen. So können sie weiter­hin zum Kaffee­trinken einladen oder haben Platz für ein Hob­by. Um einen Anreiz für die Verkleinerung zu schaffen, könnten Kooperationen mit lokalen Geschäften oder Friseur*innen entstehen: Ältere bekommen praktische Dienst­leistungen direkt nach Hause – und müssen weder den vertrauten Kiez verlassen noch auf Komfort verzichten.

Und wer koordiniert das alles?
Das können die Leute selbst tun. Über eine App. Eine andere Idee, um Wohn­einheiten zu verkleinern, ist ein Lager­service: In ein Lager kommen Dinge, die man nicht ständig braucht und für die man keinen Platz hat, Kisten mit Weihnachts­baum­schmuck zum Beispiel. Und wenn man etwas braucht, bestellt man die Box per App und lässt sie sich nach Hause schicken.


Text: Regina Köhler


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