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GESOBAU-Mieterin Inge Schulze versorgt als »Schrippenmutti« seit 26 Jahren Berliner Nachtschwärmer

Im Kiez

„Alle lieben Muttis Buletten“

Nachts auf Club-Tour: GESOBAU-Mieterin Inge Schulze versorgt als »Schrippenmutti« seit 26 Jahren Berliner Nachtschwärmer mit herzhafter Grundlage und unterstützt damit Obdachlose.

Mehrere Beutel Schrippen, Truthahnsalami und Gewürzgurken: In der Küche der Schrippenmutti werden heute wieder Brötchen geschmiert. »Pro Minute ein Brötchen, fix und fertig und verpackt«, sagt Inge Schulze, wie die Schrippenmutti eigentlich heißt, das schafft sie und darauf ist sie stolz. Rund 100 Schrippen schmiert sie für ihre nächtlichen Touren. »Gute Margarine, belegen, garnieren, verpacken«, das sind die Arbeitsschritte, die sich immer wiederholen. Mit ihren 78 Jahren fährt sie immer noch auf Schrippentour, so wie die letzten 26 Jahre. Zu den Kneipen, Clubs und Bordellen dieser Stadt. 

Dort verkauft sie ihre belegten Schrippen, ihre Gewürzgurken und ihre Buletten. »Alle lieben Muttis Buletten«, sagt sie und lacht zufrieden. Als sie einmal mit gekauften Bouletten aus dem Großmarkt zu ihren Kunden kam, da gab es nur ungläubige Blicke. Die wollte keiner. Mutti, wo sind denn deine Buletten, fragten alle. Mittlerweile ist Schrippenmutti nicht nur in der Kneipenszene der Stadt bekannt. Auch das Fernsehen und sogar internationale Medien haben schon über sie berichtet.

Einnahmen und übrige Schrippen fährt Schulze zu ihren Obdachlosen

Ihre Schrippen, ihre Bouletten – all ihre Verkaufsschlager produziert sie in ihrer heimischen Küche in der GESOBAU-Altbauwohnung im Wedding, wo sie seit 1953 wohnt. Heute mit ihren zwei Katzen, früher mit Mann und Kindern. »Bei unserer Hochzeit haben wir eine Polonaise durchs ganze Treppenhaus gemacht, das war ein Spaß. Heute starren die jungen Leute ja nur noch auf ihre Telefone.«

Früher war das Berliner Original jede Nacht auf Tour, jetzt fährt sie nur noch los, wenn es die Gesundheit erlaubt und sie sich gut fühlt. So wie an diesem Tag. »Heute ist Fußball, da muss ich los«, sagt sie. Was sie mit ihren Schrippen verdient, wandert übrigens nicht in die eigene Tasche – dafür habe sie schließlich ihre Rente –, sondern das gibt sie an die Obdachlosen der Stadt. Auch sie bekommen Schrippen von ihr, völlig kostenlos versteht sich. »Sie freuen sich immer so, wenn ich komme und ihnen Schrippen bringe«, erzählt sie. Auch all das, was am Ende einer Tour durch das nächtliche Berlin übrig bleibt, bringt sie ihnen.

Mit ihrem dreirädrigen Piaggo-Transporter knattert sie mit 25 Stundenkilometern durch ganz Berlin. Als sie noch auf großer Tour war, stoppte sie bis zu 90 Mal in der Nacht. »Alle sagen immer: Mutti, komm zu uns, du musst bei uns Schrippen verkaufen.« Aber die Hüfte will nicht mehr so. Ans Aufhören denkt sie trotzdem noch nicht. 

Warum sie alle nur Mutti nennen? »Das weiß ich nicht mehr«, grübelt sie. Ist aber auch egal. Hauptsache, Berlins Schrippenmutti ist noch so lange wie möglich unterwegs und versorgt die Nachtschwärmer mit ihren leckeren Buletten und Schrippen.

   


Text: Tatjana Kulpa; Foto: Christoph Schieder


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