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Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm im Kino

Im Kiez

Wilmersdorf: Zwei Filmemacher und ihr Kiez

26 Jahre lang haben Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm mit der Kamera Bewohner*innen aus Wilmersdorf begleitet. Ihre Geschichten liefen in der ARD unter dem Titel „Berlin – Ecke Bundesplatz“. Die beiden zeigen uns ihren Kiez.

Wenn Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm einen Teil Berlins wirklich gut kennen, dann ist es das Gebiet rund um den Bundesplatz. Von 1986 bis 2012 haben die beiden Filmemacher hier für den WDR gedreht. Etwa 30 Anwohner*innen haben sie in dieser Zeit beim Leben zugeschaut – ein Schornsteinfeger war darunter, ein Staranwalt, eine Bäckersfrau, ein schwules Paar. Deren Erfolge und Scheitern, Freude und Schmerz haben sie festgehalten und nach 1990 auch das mühevolle Zusammenwachsen der bis dahin geteilten Stadt dokumentiert. Entstanden ist „Berlin – Ecke Bundesplatz“, ein Zeitdokument, das seinesgleichen sucht.

Obwohl längst Pensionäre, haben Ullrich und Gumm zu ihren Leuten vom Bundesplatz noch immer Kontakt. Inzwischen auch zu deren Kindern und Enkelkindern. Unser Kiezspaziergang ist für sie eine gute Gelegenheit, mal wieder in „ihrem“ Kiez unterwegs zu sein.

Wir treffen uns vor dem Kino am Bundesplatz 14. Dort wartet schon Peter Latta. Zusammen mit Martin Erlenmaier betreibt er das kleine Lichtspieltheater. Latta bittet uns ins Foyer und serviert Kaffee. Vor zehn Jahren haben ihn Freunde gefragt, ob er das Kino übernehmen will. Da ist er gerade pensioniert worden. Das Angebot kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Im Kino haben 86 Gäste Platz, das Programm ist anspruchsvoll. Arthouse-Filme, Retrospektiven, Themenreihen, „nur Filme, die wir selbst gut finden“, sagt Latta. Ullrich und Gumm haben extra einige Kurzfilme für sein Kino gedreht.

Wir verlassen das Kino und gehen rüber zu Apo, der zweimal in der Woche mit seinem Käsestand auf dem Bundesplatz steht. Ullrich und Gumm kennen ihn seit vielen Jahren. „Er hat den besten französischen Käse außerhalb Frankreichs“, meint Detlef Gumm. Apo lacht. „Suchtmittel“, sagt er. Wir bleiben noch ein wenig auf dem Bundesplatz. Der sei gepflegter als damals, sagt Gumm. Schön ist es hier trotzdem nicht. Das liegt an der viel befahrenen Bundesallee, die tief eingeschnitten mitten durch den Platz führt, der seinen ursprünglichen Charakter als Parkanlage dadurch verloren hat. Eine Bausünde aus den 1960er-Jahren.

Am Bundesplatz 1 befindet sich das Café Wolkenstein. Damals haben die Filmemacher hier oft eine Pause eingelegt, belegte Brötchen gegessen, auch mal ein Stück Torte. Heute sind wir hier mit Hans Ingebrand verabredet, einem der Protagonisten der Dokureihe. Ingebrand und sein Partner Reimar Lenz wohnten gleich neben dem Café. Wie viele Anwohner*innen fanden auch sie 1986 einen Zettel im Briefkasten. Auf dem stellten die Filmemacher ihr Projekt vor und fragten, wer mitmachen will. Ingebrand und Lenz meldeten sich, viele andere auch. „Das Erstaunliche war, dass dann niemand abgesprungen ist, auch nicht, als die ersten Folgen ausgestrahlt worden sind und die Nachbarn alles gesehen haben“, sagt Ullrich.

Ein Kiezspaziergang am Bundesplatz ist für die Filmer Ullrich und Gumm wie ein Heimspiel. Sie brauchten sich vorher nicht zu überlegen, was sie uns zeigen wollen – sie gehen einfach los, sprechen mit den Menschen hier, die sie seit so vielen Jahren kennen

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Ingebrand hat verschlafen und wird etwas später kommen. Wir schauen uns in der Zeit im Viertel um, es ist geprägt von alten Mietshäusern aus der Gründerzeit. Fast alle sind stilvoll saniert. An der Mainzer Straße 19 bleiben wir vor einem Ladengeschäft stehen. „Das war mal die Bäckerei von Gerd und Gerda Dahms, die auch bei unserem Film mitgemacht haben“, erzählt Gumm. Bäcker Dahms war eine Instanz im Kiez: Alle kannten ihn. Dann wurde er krank, musste sein Geschäft aufgeben. Das war 1994. Danach wechselte der Laden ständig den Besitzer. Eine traurige Geschichte, finden Ullrich und Gumm. An der Mainzer Straße 16 a stehen wir vor dem Geschäft eines türkischen Schneiders. Heute ist Ruhetag. „Der Meister ist inzwischen 70 Jahre alt“, sagt Ullrich. Er und seine Frau seien ganz liebenswerte Leute.

Im Café wartet inzwischen Hans Ingebrand. Er hat viel zu erzählen – wie er von einem Dorf bei Münster nach Berlin kam, wie sie gelebt haben damals in den 70er- und 80er-Jahren. All das hat er aufgeschrieben. Jetzt drückt er Ullrich eine dicke Mappe in die Hand. „Kannst du das für mich kopieren?“ Ullrich rollt mit den Augen. „Aber nicht gleich morgen“, sagt er.

Die beiden Filmemacher wurden erst kürzlich wieder gefragt, ob sie noch eine weitere Folge für „Berlin – Ecke Bundesplatz“ drehen wollen. Sie haben abgelehnt. „Irgendwann ist Schluss“, sagt Ullrich. Das Filmmaterial befindet sich jetzt im Film- und Fernsehmuseum am Potsdamer Platz. „Dort ist es gut aufgehoben.“


Autorin: Regina Köhler; Aufmacherbild: Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm haben gut ein Vierteljahrhundert hinter der Kamera verbracht. Dabei kam auch ein Kinofilm heraus, der eigens für dieses Kino am Bundesplatz gedreht wurde; Foto: Verena Brüning


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