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Kuscheleinheiten: Luke kennt die Tiere auf dem Kinderbauernhof „Spielewald Eiche“ recht gut. Er ist nach der Schule häufig auf dem Hof aktiv

Im Kiez

Unsere kleine Farm

Auf Ponys reiten und Esel füttern: Die Berliner Kinderbauernhöfe machen es möglich – und das mitten in der Stadt. Wir haben die „Alte Fasanerie“ in Lübars, den Kinder­bauernhof „Pinke-Panke“ und den „Spielewald Eiche“ besucht und erfahren, welch wichtigen Beitrag die Höfe für Kinder und Anwohner*innen leisten.

Lotti hat ihr Pony Kiki fest im Griff. Mit dem kleinen Pferd dreht sie regelmäßig ihre Runden auf dem Kinderbauernhof „Spielewald Eiche“. Sogar kleine Kunststücke hat sie ihm schon beigebracht.

Obwohl der Hof mit seinen Bauwagen und Bretterbuden inmitten von Feldern und Kleingärten liegt, ist die Stadt nicht weit entfernt. Am Horizont zeichnet sich die Hellersdorfer Skyline ab. Der Hof liegt direkt hinter der Stadtgrenze.

Für Lottis Mutter, Anna Freda, wurde das mit Beginn der Corona-Pandemie zum Problem. „Obwohl wir zum Verein ‚Spielplatzinitiative Marzahn‘ gehören und überwiegend Berliner Kinder betreuen, hat uns der Berliner Senat finanzielle Hilfe versagt, mit dem Hinweis, wir lägen in Brandenburg“, sagt sie. Von Brandenburg gibt es ebenfalls kein Geld. Der Grund: Die Kinder, die das Angebot nutzen, kämen schließlich überwiegend aus Berlin.

Vorher finanzierte der Hof den Unterhalt und die Pflege der Tiere zu einem großen Teil aus Veranstaltungen. Märchen-Kremser-Fahrten, Reitgruppen und umweltpädagogische Workshops für Kitas und Schulklassen gehörten zu den regelmäßigen Angeboten von Anna Freda und ihrer Veranstaltungsagentur Red Feather Events. Sie trat mit Feuer- und Indianershows bei Stadtteil­festen auf – Einnahmequellen, die seit Corona versiegt sind. Zwei Tierpfleger arbeiten seit einem Jahr weitgehend ehrenamtlich. Nur private Spenden ermöglichten das Weiterbestehen des Kinderbauernhofs.

Reiten für alle

Momentan ist der Hof wieder geöffnet: Tagesgäste können unangemeldet kommen. Eine telefonische Voranmeldung ist bei allem anderen aber notwendig, damit es nicht zu eng wird. Reitunterricht gibt es nur einzeln, 25 Euro kostet die Stunde. Was auch schon die letzten Monate ging: Fami­lien konnten einfach nur zum Füttern und Streicheln der Ponys, Esel, Schafe,­ Hühner und Kaninchen kommen – kostenlos, versteht sich.

Jede Reitstunde beginnt mit der Pflege der Ponys. Die Kinder striegeln sie und kratzen ihnen die Hufe aus. „So nehmen sie schon einmal Kontakt zu den Tieren auf und sorgen dafür, dass beim Reiten später nichts drückt“, erklärt Anna Freda. Danach werden Sattel und Geschirr angelegt, bevor die Kinder sie auf den Reitplatz führen. „Es geht uns darum, dass die Kinder ein respektvolles Verhältnis zu den Pferden aufbauen und auch von ihnen lernen, zum Beispiel soziales Verhalten.“

Ihr eigener Schimmel Namur ist bereits 26 Jahre alt. Mit ihm fing alles an: Damals hatte Anna Freda einen Stellplatz bei einem Bauern in Eiche. Als sie 2009 einen Beitrag über die Hilfsorganisation Arche sah, die sich gegen Kinderarmut in Marzahn-Hellersdorf engagiert, beschloss sie, zu helfen. Die Initiative „Spielewald Eiche“ wurde dank Anna gegründet und zu ihrem Partner. Das Ziel: Kindern aus der Nachbarschaft Natur und Tiere näherbringen.

Viele der Tiere bekommen auf dem Hof eine zweite Chance: Ein Esel wurde aus einem Tierversuchslabor gerettet. Das Pferd „Prinz Hektor“ sollte von seinem Vorbesitzer wegen einer Verletzung eingeschläfert werden. Einige Schafe zog Anna Freda mit der Flasche auf.

Gegacker auf dem Grenzstreifen

Weiter westlich, an der Grenze zwischen Pankow, dem Wedding und Reinickendorf, gründete Annett Rose vor 30 Jahren auf einem Stück Mauerstreifen den Kinderbauernhof „Pinke-Panke“. „Früher war hier nichts als Sand und Geröll“, erzählt sie. Wo einst Grenzer patrouillierten, grasen heute Esel und schnattern Gänse.

„Tiergestützte Pädagogik“ nennt sich das Konzept des Kinderbauernhofs. „Wir erreichen über die Tiere Kinder, die vielleicht zu Hause oder in der Schule Probleme haben“, sagt Annett Rose. „Mit der Zeit merken sie, dass zu den Tieren Betreuer gehören, denen man sich anvertrauen kann.“

Normalerweise ist der Hof offen für alle: Kinder können in der Esel-AG Gelassenheit trainieren, die Wollschweine, Hühner oder Gänse füttern, Bretterbuden auf dem Abenteuerspielplatz bauen oder in den Werkstätten mit Holz, Wolle oder Ton basteln. In dem an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt erinnernden Haupthaus aus Lehm befindet sich ein kleiner Proberaum für Bands. Es gibt einen Hofladen mit eigenen Produkten und ein kleines Café. Unzählige Geburtstage, Taufen und Hochzeiten wurden schon auf dem Kinderbauernhof „Pinke-Panke“ gefeiert.

Doch unter Corona-Bedingungen ist alles anders. Nur noch Stammgäste haben jetzt Zutritt in zugeteilten Zeiten. Einer von ihnen ist Garrit. „Ich komme eigentlich sooft wie es geht hierher“, sagt der Zehnjährige. Sein Lieblingsplatz ist an der Panke. Der schmale Fluss begrenzt den Kinderbauernhof im Südosten. Garrit angelt einen Spaten aus dem Wasser und streift zwei kleine Blut­egel ab, die sich schnell ins kühle Nass zurückziehen.

Wahrscheinlich gehört das Werkzeug zur Garten-AG. Sie kümmert sich um die kreisförmig angelegten Beete. Kinder können ein Stück Erde mit Kräutern oder Gemüse bepflanzen. Daraus wird dann zusammen etwas Leckeres gekocht. „So lernen die Kinder, wie viel Arbeit im Anbau von Lebensmitteln steckt“, erläutert Annett Rose.

Wie der „Spielewald Eiche“ ächzt auch der Kinderbauernhof „Pinke­-Panke“ unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Zwar erhält das Projekt öffentliche Mittel von der Stadt und vom Bezirk sowie Spenden. Aber von den 50 000 Euro Eigenmitteln, die die Initiative normalerweise pro Jahr erwirtschaftet, konnte sie 2020 nur die Hälfte einnehmen. „Wenn wir im Juli nicht aufmachen dürfen, sieht es für uns düster aus“, sagt Annett Rose. Trotzdem bleibt sie optimistisch. Der Kinderbauernhof „Pinke-Panke“ stand schon mehrmals vor dem Aus. Bisher ging es immer weiter.

Kreativ ackern

Auf der Familienfarm der „Alten Fasanerie“ in Lübars ist an diesem Freitag Ackerhelfertag. Er beginnt mit einer Runde Acker-Yoga, ein paar Dehn- und Atemübungen, bevor die freiwilligen Helfer*innen mit ihren Spaten die Erde lockern und im Gewächshaus Spinat und Radieschen ernten. Fatima (7) und Galeb (6) sind mit ihrer Mutter zum ersten Mal hier. Einen ganzen Eimer Unkraut tragen sie in Richtung Schafstall. Ausnahmsweise dürfen sie ins Gehege und die Tiere damit füttern.

„Wir achten sehr auf eine artgerechte Haltung“, erklärt Hofleiter Jonas Fischer. „Deshalb ist es wichtig, dass die Tiere kein Brot oder andere mitgebrachte Speisen bekommen und nur nach Rücksprache gefüttert werden.“

Dass wieder Tiere auf dem Gelände des historischen Hofguts aus dem 18. Jahrhundert leben, gleicht einer kleinen Sensation. Im vergangenen Jahr musste der Träger, das gemeinnützige Elisabethstift Berlin, Minischweine, Hühner, Schafe, Ziegen und Alpakas verkaufen. Bei einer groß angelegten Spendenaktion kamen nicht die notwendigen Mittel zusammen, um alle Tiere zu behalten.

Inzwischen kehren sie nach und nach zurück. Neben Schafen gibt es jetzt auch Hühner. Elias (6) und seine Schwester Sarah (4) füttern sie und sammeln in der Voliere Eier ein. Dreimal pro Woche kommen die beiden Ponys eines externen Hofes auf die Anlage, um unter der Anleitung einer ausgebildeten Hippolini®-Lehrkraft den Kindern einen pädagogischen Einstieg in das Reiten zu ermöglichen. Kinder, die sich für einen Platz in einer der Gruppen interessieren, brauchen Geduld, denn die Warteliste ist lang.

Doch die „Alte Fasanerie“ ist viel mehr als ein Streichelzoo. Sie will ein Begegnungsort sein für Menschen jeden Alters. „Gerade in Pandemie-Zeiten können wir an der frischen Luft in kleinen Gruppen viele Aktionen ermöglichen“, sagt Jonas Fischer. Er ist eigentlich Schauspieler und bot Feriencamps für Kinder an, bevor er im Januar die Leitung der Familienfarm übernahm. Auch in den Osterferien konnten zwei Camps stattfinden.

„Wir arbeiten auf dem Acker nach dem Prinzip der Permakultur, das sich natürliche Kreisläufe zunutze macht“, sagt er. „Alle Bereiche sollen organisch ineinandergreifen.“ So werden an den Ackertagen Ideen gesammelt, wie der geplante Natur­erlebnisort aussehen könnte. Im Gespräch sind ein Barfußpfad und ein Kletterpark. Für das neue Projekt sammelt Jonas Fischer in einer Crowdfundig-Kampagne Spenden.

Er ist überzeugt: Nur wenn Kinder die Zusammenhänge in der Natur begreifen, setzen sie sich als Erwachsene auch für ihren Schutz ein. Sie lernen respektvoll mit Tieren umzugehen und soziales Verhalten untereinander. Denn viele Aufgaben lassen sich nur im Team bewerkstelligen.


Text: Judith Jenner; Fotos: Verena Brüning


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