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Schüler der Moselgrundschule tauschen sich mit Senioren aus der Neumagener Straße im Generationenprojekt »Oral History« aus und erfahren Geschichte auf eine ganz persönliche Weise

Im Kiez

Lernen von Zeitzeugen

Schüler der Moselgrundschule tauschen sich mit Senioren aus der Neumagener Straße im Generationenprojekt »Oral History« aus und erfahren Geschichte auf eine ganz persönliche Weise.

»Wie war das, als Sie in die Schule kamen? Womit haben Sie damals eigentlich geschrieben?«, will Tom wisse. »Und Ihr Schulweg?«, fragt Josi. Pascal interessiert sich für das damalige Schulessen. Was da wohl auf dem Speisezettel stand? Ursula Temme (79) gibt gern Antwort und erzählt von früher. Darüber, dass sie 1943 in die Schule kam, mitten im Krieg. »Ich erinnere mich noch genau an meinen Lederranzen und an die Schiefertafel, auf der wir geschrieben haben. Mein Schulweg? Ach Kinder, wenn ihr wüsstet, damals war ja alles kaputt von den vielen Bomben, die auf Berlin gefallen sind.« Das Schulessen sei an vielen Tagen das einzige gewesen, was die hungrigen Mägen bekamen. »Das hat uns gerettet«, sagt die Seniorin und erinnert sich lachend an »Kekssuppe«. »Keine Ahnung was genau da alles drin war, auf jeden Fall schmeckte die lecker. Gut, dass ihr nicht wisst, was Hunger bedeutet«, fügt sie dann noch hinzu.

70 LEBENSJAHRE DAZWISCHEN

Im Rahmen ihres Generationenprojektes sind die Schüler der Moselgrundschule in Weißensee heute wieder zu Gast im nahegelegenen Seniorenheim in der Neumagener Straße. »Oral history« heißt das Teilprojekt – eine Methode der Geschichtswissenschaft, die nicht auf Fakten, sondern auf dem Sprechenlassen von Zeitzeugen basiert. In den Gesprächen der 10- bis 12-Jährigen mit den Bewohnern geht es dabei nicht nur um Schule und Ausbildung, auch Themen wie Freundschaft, Familie, Geschichte, Mauerbau und mehr wollen auf diese Weise erkundet werden. Eine Idee von Schulleiter Frank Neumann, um die Generationen stärker zusammenrücken zu lassen und das Verständnis füreinander zu fördern. »Schüler und Senioren trennen 70 Lebensjahre. Unser Projekt ermöglicht es, aufeinander zuzugehen, sich einzulassen und dabei ganz viel voneinander zu erfahren«, so der 48-Jährige.

»Wir freuen uns jedes Mal riesig über den Besuch. Die Kinder bringen Abwechslung und Schwung in die Bude«, sagt Bewohnerin Uschi Braun und schließt Tom herzlich in die Arme, der als erster in den Aufenthaltsraum des Seniorenheimes stürmt. »Greift zu, die Schokoladenweihnachtsmänner müssen endlich weg, ist ja fast Ostern«, lädt die 82-Jährige lachend ein. Und das muss sie auch nicht zweimal sagen. Während Ursula Temme Fragen beantwortet, wird nebenan gemeinsam gebastelt, geknobelt und gespielt. Und heute sogar ein Film gedreht, um die Erlebnisse festzuhalten. Frank Neumann freut sich, dass die GESOBAU dies ermöglicht hat.

VIELSEITIGES MITEINANDER

»Oral history« ist ein Baustein innerhalb eines breitgefächerten Angebotes interaktiver Arbeit über Altersgrenzen hinweg. »Wichtig ist uns: Wir planen und entwickeln alles gemeinsam«, unterstreicht der Schulleiter. Und: Der Weg sei das Ziel. »Im Vordergrund steht nicht das Ergebnis, sondern der Prozess des Miteinanders. Mit dem Erlebnis, das daraus resultiert.« Ob beim gemeinsamen Ausflug, bei dem Schüler eben ganz selbstverständlich auch mal den Rollstuhl einer Seniorin schieben und staunen, wie sich das anfühlt. Oder beim gemeinsamen Turnen mit dem Schwungtuch, wo so manche alte Dame den Zehnjährigen kaum nachsteht. Und selbst wenn sich beim Singen kein Lied findet, das beide Generationen kennen – völlig egal, dann wird genau darüber gelacht. »Ich bin jetzt schon seit zwei Jahren dabei«, erzählt Tom. »Die Bewohner des Seniorenheimes sind total nett, das macht richtig Spaß.«

Bevor die heutige gemeinsame Stunde zu Ende geht, wird noch abgestimmt: Wer hat Lust auf eine Dampferfahrt im Sommer? »Na klar, gern!« Da sind sich alle einig. »Und beim nächsten Mal erwarten wir euch mit Schokoosterhasen«, sagt Uschi Braun noch augenzwinkernd. »Versprochen!«

   


Text und Foto: Kathleen Köhler


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