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Jungs fahren Fahrrad

Gesobau

Wer langsam fährt, gewinnt

Beim Fette-Reifen-Rennen der AKTIONfahrRAD werden Kinder ans Radfahren herangeführt. Es geht um Geschicklichkeit, langsames Fahren und die richtige Balance. Denn wer sich auf dem Rad sicher fühlt, ist es auch im Straßenverkehr

Kevin ist sieben Jahre alt. Er geht in die erste Klasse. Doch gerade sieht er ziemlich unglücklich aus, denn er sitzt auf einem Laufrad. Fahrrad fahren? Kann er noch gar nicht. Wie das kommt? „Wir haben einfach kein Geld für Räder“, geben seine Eltern zu. Kevins Papa sitzt zudem im Rollstuhl – es geht in erster Linie darum, dass die Familie ihren Alltag gut bewältigt. Für Freizeitaktivitäten bleibt da kaum Zeit.

Kevin ist auf dem Übungsgelände zunächst wackelig, aber motiviert. Für das „Fette-Reifen-Rennen“ wurde auf dem Stadtplatz an der VIERTEL BOX im Märkischen Viertel ein Parcours aufgebaut. Chris, einer der Betreuer*innen, kümmert sich um ihn. Er nimmt sich so viel Zeit, wie Kevin braucht, um auf dem Laufrad sicherer zu werden. Nach einer Weile traut er sich auf ein richtiges Fahrrad. Chris läuft mit. Er hält ihn an der Schulter fest, damit Kevin ein Gefühl für das Gleichgewicht bekommt. 

In Bewegung bringen

„Unsere Kinder bewegen sich immer weniger. Die Koordinationsfähigkeit nimmt dadurch ab“, stellt Oliver Kirchgessner fest. Er arbeitet als Projektmanager beim gemeinnützigen Unternehmensverband Berliner Gesellschaft für Gesundheit durch Sport (BEGSpo). Damit sich Kinder mehr bewegen und sich auf dem Rad sicherer fühlen, veranstaltet die BEGSpo in Co-Partnerschaft mit dem Lokalen Bildungsverbund im Märkischen Viertel und der Agentur wirkhaus.berlin im Herbst für die GESOBAU diesen Event. Auch in Gropiusstadt auf dem Lipschitzplatz und in Marzahn-Hellersdorf auf dem Alice-Salomon-Platz finden Fette-Reifen-Rennen für Kinder von drei bis elf Jahren statt, an mehreren Terminen im Jahr. Auch für nächstes Jahr sind schon Fette-Reifen-Rennen geplant, aufgrund der Pandemie werden die Termine kurzfristig angesetzt.  

Freude pur auf dem Parcours

Der Name für den Event rührt daher, dass die Kinder sichere Fahrräder mit dicken Reifen nutzen. Sie stehen den Kindern kostenlos zur Verfügung. Alle fahren ähnliche Modelle, so entsteht kein Neid – und weniger Hemmungen, das Radfahren auszuprobieren. Geübtere können im Parcours ihre Geschicklichkeit testen. Dafür gibt es Wippen, Funblocks, Balken und Slalomstrecken. Ein ungewöhnlicher Wettbewerb ist das Slow-Biking: Hier gewinnt, wer sein Fahrrad am besten beherrscht – und nicht als Erste*r, sondern als Letzte*r über die Ziellinie rollt. 

Ein Stück Normalität 

Sieht man den strahlenden Ausdruck in den Augen der sechsjährigen Mennatallah, die zwar nicht als Siegerin aus dem Rennen hervorgeht und dennoch eine Teilnahmeurkunde in den Händen hält, ahnt man, wie ein solcher Tag die Kinder motiviert. Zusammen mit ihrem großen Bruder Ibrahim und der kleinen Schwester Sara düst sie mit Begeisterung stundenlang über den Parcours. Pausen erlauben sich die Kinder nur für ein paar Minuten. Am Parcoursrand warten ihre Eltern. Die Familie kam vor fünf Jahren aus Syrien nach Berlin, doch noch immer ist sie in Deutschland nur „geduldet“ und hat noch keine Aufenthaltsgenehmigung. Seit fünf Jahren ist da jeden Tag die Angst, abgeschoben zu werden. Seine Kinder hier befreit lachen zu sehen, ist eines der schönsten Dinge, die sich Vater Khalil vorstellen kann.

Und Kevin? Der Siebenjährige lernt noch am selben Tag das Radfahren. Ihn hat der Eifer gepackt, auf seinem Gesicht liegt ein breites Grinsen. Hinter der Absperrung stehen seine Eltern. Ihre Augen glänzen. Sie sind stolz und glücklich über diese Chance.


Autorin: Sabine Neddermeyer, Aufmacherfoto: Charlotte Krauss


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